Papenburg, 05.10.1999 - Vor nunmehr über 75 Jahren, am 10.07. 1924 tagte zum ersten Mal der Betriebsrat der MEYER WERFT. Wie wir aus dem noch erhaltenen Protokollbuch wissen, wurde in dieser Sitzung mit der Geschäftsleitung über Löhne, Kartoffelgeld und neue Mieten für Werkswohnungen verhandelt. Der heutige Betriebsrat der Werft ist der Meinung, dass dieses Datum Anlass genug ist, die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in den vergangenen Jahrzehnten zu würdigen und bekannt zu machen.
In der Weimarer Republik beschäftigte sich der Betriebsrat hauptsächlich mit den Arbeitsbedingungen, der Arbeitszeit und den Löhnen. Während des Nationalsozialismus jedoch wurden aus den Betriebsräten "Vertrauensräte", die sich mit fremdbestimmten Elemente wie der "Schönheit der Arbeit", "Verwarnungskatalogen für Lehrlinge und Arbeiter" sowie Propagandafeiern auseinander setzen mußten. Nach dieser für die Menschen, nicht nur in Deutschland, sehr schlimmen Zeit, beherrschte der Wiederaufbau die Nachkriegszeit. Die Verhinderung von Demontagen und später die Verhandlungen und Umsetzung von Tarifverträgen für die Arbeitnehmer waren weitere wichtige Aufgaben der Betriebsräte. Aus heutiger Sicht hat sich die Betriebsratsarbeit sicher stark verändert.
Bestimmte Elemente wie Lohnverhandlungen sind allerdings heute wie damals eine wichtige Arbeit von Betriebsräten. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz, Verhandlungen über Löhne und Gehälter und die Arbeitszeiten spielten in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften immer eine große Rolle. Hinzu gekommen ist sicherlich eine weitergehende Einbindung oder Einflussnahme in unternehmenspolitischen Fragen, wie die Organisation und die Formen der Arbeit, z.B. Gruppenarbeit. Durch die Arbeit der Gewerkschaften sind Mitbestimmungsregelungen in die Gesetzgebung eingeflossen, die es Betriebsräten heute ermöglichen, für eine soziale Gestaltung der Arbeitswelt einzutreten. Trotzdem sollte nie vergessen werden, von wem diese sozialen Reformen durchgesetzt wurden.
Mit großem Engagement haben die Vorgänger der jetzigen Betriebsräte den heutigen Standard erstritten. Bei allem, manchmal auch kritisch angemerkten "Co-Management", welches mittlerweile wichtiger Bestandteil von Betriebsratsarbeit in den vielen Betrieben ist, sollte nicht vergessen werden, wo die Wurzeln für die Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer liegen.
Ein Betriebsrat als "Co-Manager" kann auch lebenswichtige Aufgaben für einen Betrieb erfüllen. So ist der Betriebsrat der MEYER WERFT seit vielen Jahrzehnten für eine gemeinsame "Außenpolitik" mit der Unternehmensleitung bekannt. Diese gemeinsame Politik betrifft den Standort Papenburg und die Problematik der Überführung von Schiffen auf der Ems. In der 204-jährigen Werftgeschichte sind Diskussionen über die Breite von Brücken oder die Tiefe des Flusses Ems fast schon Normalität - wie an fast allen Werft- und Hafenstandorten in Deutschland und Europa. Dies hat auch den Betriebsrat der MEYER WERFT geprägt. Besonders während der Amtszeit von Hako Haken, Paul Bloem und Helmut Plöger wurde die Werft Zielscheibe von Umweltgruppen, die immer wieder - in Unkenntnis von europarechtlichen, betriebswirtschaftlichen und produktionstechnischen Aspekten im Schiffbau - eine Verlagerung der MEYER WERFT fordern. Alle Betriebsratsvorsitzenden waren jedoch bei dieser Frage einig mit der Unternehmens-leitung: Eine Verlagerung der Werft ist unmöglich. Der Betriebsrat setzte sich bei dieser Frage stets für den Ausbau der Infrastruktur an der Ems und für neue Arbeitsplätze ein. Nicht, weil dem Betriebsrat der Werft die Umwelt egal ist, sondern im Gegenteil, weil alle Mitglieder des Betriebsrates in dieser Region verwurzelt sind.
Chronologie - 75 Jahre Betriebsrat der MEYER WERFT
10. Juli 1924 | Erste Betriebsratsitzung auf der MEYER WERFT. Betriebsratsvorsitzender Egbert Schulte. |
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1925 -1934 | Betriebsratsvorsitzender Alex Stürmann |
1929 | Weltwirtschaftskrise-Schwarzer Freitag (Börsencrash) |
1934 -1944 | Betriebsratsvorsitzender Johann Lebang |
1933 -1945 | Diktatur der Nationalsozialisten in Deutschland |
1939 -1945 | Zweiter Weltkrieg |
Ab 1945 | Wiederaufbau in Deutschland |
1951 -1952 | Betriebsratsvorsitzender Bernhard Appeldorn |
1951 | Die MEYER WERFT hat 277 Mitarbeiter |
1952 -1953 | Betriebsratsvorsitzender Johann Jongebloed |
1953 -1957 | Betriebsratsvorsitzender Johann Dreyer |
1957 -1987 | Betriebsratsvorsitzender Hako Haken.Die neue Werft im Industriegebiet Süd entsteht.Standortalternativen werden geprüft,aber verworfen.Haken setzt sich besonders für den Bau der Ems-Brücke und somit für die Verkehrsanbindung des Rheiderlandes ein. |
1971 | Die MEYER WERFT hat 1065 Mitarbeiter |
1989 | Wiedervereinigung Deutschlands |
1987 -1098 | Betriebsratsvorsitzender Paul Bloem.1993(Erörterungstermin) beginnt die Debatte um die Ems-Vertiefung auf 7,30 Meter.Betriebsrat und Geschäftsleitung des Unternehmens qrbeiten gemeinsam für die Zukunftssicherung der Werft. |
1998/1999 | Die Werft hat 2004 Mitarbeiter |
Seit 1998 | Betriebsratsvorsitzender Helmut Plöger. |
Ende 1997 | Die Diskussion um das Ems-Sperrwerk beginnt. Der Betriebsrat der Werft kämpft um die Arbeitsplätze in Papenburg. |